Humanitäre Hilfe Osteuropa e. V.

Mitglied im Diakonischen Werk der SELK

Moldawienreise für den Verein Humanitäre Hilfe Osteuropa e.V. vom 3.-7.01.2023

Moldawienreise für den Verein Humanitäre Hilfe Osteuropa e.V. vom 3.-7.01.2023 von Markus Müller

0. Vorbemerkung:

Seit etwa 2017 bekommt der Verein immer wieder gut erhaltene Schulmöbel von Schulen in Norddeutschland gespendet, die wir an Schulen in Moldawien geliefert haben.

Schon lange wünschten sich die Organisatoren der Schulspenden, einmal die Schulen in Moldawien, die die Möbel erzielten, zu besuchen und Kontakte aufzubauen.

In der ersten Januarwoche 2023 kam endlich die lang geplante Reise zum Ende der Weihnachtsferien zustande.  Anna Dragan, Chisinau, vermittelte die Kontakte im Land und begleitete und dolmetschte. Alle Termine klappten trotz der dortigen Weihnachtsferien.

3.01.2023 Flug mit LOT

Über Berlin und Warschau ging es nach Chisinau. Dort nahmen uns Anna und Valentin Dragan in Empfang. Am Flughafen mietete ich ein Auto und wir gingen auf Hotelsuche, da die reservierten Zimmer bereits anderweitig vergeben waren. Wir fanden noch schöne Zimmer, allerdings ohne Frühstück, da wegen der Weihnachtsferien, die Hotelküche geschlossen hatte.

4.01.2023 – Reise in den Süden

Nach einem leckeren Frühstück in der Stadt fuhren wir nach Comrat (Gagausien, autonomes Gebiet im Süden, mit Comrat als Hauptstadt).

Die zentrale Schule in der Stadt (Klassen von Grundschule bis Abitur) hatte ich schon 2017 besucht. Dorthin wurden inzwischen Schulmöbel gebracht: Tische, Stühle, auch einige Tafeln. 

Wir wurden sehr herzlich durch die Rektorin empfangen und erhielten eine Führung durch die Schule. 

Gagausien ist russischsprachig. Viele Eltern, bzw. Männer arbeiten in Russland.  Die Außenfassade der Schule war bereits 2017 mit Hilfe eines EU-Projekt renoviert worden. Innen war das Gebäude allerdings damals sehr veraltet und in schlechtem Zustand. Seitdem wurde durch Eigeninitiative der Schulleitung, Eltern und Sponsoren nach und nach immer etwas verbessert. Gerade wurden die Toiletten saniert.

Wir waren besonders an der Ausstattung der naturwissenschaftlichen Unterrichtsräume interessiert. Hier und in fast allen Schulen, die wir später sahen, waren die Labore nur sehr dürftig ausgestattet oder total veraltet.  Es gab keine / kaum Experimentiermöglichkeiten. Man zeigte den Schülern Videos mit den Experimenten!

Die Schule sucht weiterhin moderne Möbel für einige Klassen, Musikinstrumente, Laborbedarf / Ausstattung… Die Rektorin der Schule vermittelt einen engagierten, vertrauenswürdigen Eindruck. 

Chadir – Lungar

Nach einer weiteren knappen Stunde Fahrt über sehr schlechte Straßen kommen wir nach ChadirLungar, einer kleinen Kreisstadt mit ca. 15.000 Einwohnern.

Die Schule (Grundschule bis Abitur) vermittelt äußerlich einen alten und renovierungsbedürftigen Eindruck. Innen ist sie einigermaßen wohnlich eingerichtet. Dort sind Rolltafeln und Möbel durch die Hum. Hilfe Osteuropa hingekommen und werden uns gezeigt. 

Wir treffen auch die Schulkrankenschwester, die jede Schule hat. Mit ihr können wir uns unterhalten.

Ihre Mutter arbeitet als private Pflegekraft in Deutschland in einer Familie. 

Toiletten sind alt und ohne Privatsphäre. Es gibt keine Kabinen, aber immerhin eine Toilettenschüssel zum Sitzen, als Toilettenpapier Zeitungspapier, das im Eimer entsorgt wird. 

Die Kreidetafeln sind erneuert und an der Wand angeschraubt, teilweise Smartboards, wieder schlechte Ausstattung in den Naturwissenschaften, keine Musikinstrumente, Liege für die Krankenstation sehr alt, alte Computertechnik.

Nachmittags fahren wir zurück nach Chisinau, wechseln Geld, schlendern über den Weihnachtsmarkt und die weihnachtlich erleuchtete Innenstadt.

5.01. Fahrt in den Norden des Landes (Glodeni)

Unterwegs dürfen wir in einer Tankstelle Platz nehmen und das von Frau Dragan mitgebrachte Frühstück verzehren.

Glodeni, eine Kleinstadt, ganz im Nordern der Republik erreichen wir nach ca. 4 Stunden Fahrt. Dort gibt es einen sehr herzlichen, herrschaftlichen Empfang durch die Rektorin, Lehrkräfte und Schülervertretung.  Die beiden Schüler begrüßen uns in Nationaltracht mit Gedicht, Brot und Salz. 

Die Schule hat Tische, Stühle und Tafeln erhalten. Sie sind korrekt installiert und funktionieren einwandfrei mit Pylonen zum hoch- und runterschieben. 

Die russischsprachige Schule ist äußerlich in einem schlechten Zustand. Hier werden ca. 400 Schüler unterrichtet von Grundschule bis 9. Klasse. 

Die Computer im IT-Raum sind äußerst alt und so gut wie unbrauchbar, (Windows XP). Schlechte Ausstattung von Chemie, Physik, Biologie.

Der ehemalige Rektor unterrichtet noch mit 70 Jahren als Physiklehrer und sprengt den Besuch, in dem er alle selbstgebauten Experimente und Materialen demonstriert, die er seit wohl 40 Jahren nutzt. Höhepunkt ist ein selbstgebautes Planetarium. In dem selbstbebauten Verschlag können die Kinder den Sternenhimmel und die Bewegung der Gestirne demonstriert bekommen. Alles mit viel Liebe selbst entworfen und gebaut. 

Sport und Tanzraum für Grundschulkinder befinden sich im Kellerraum, niedrige Decken, kein Außenlicht, alt, viel kaputt. Die Turnhalle, ein Betonplattenbau im Erdgeschoss, ist nicht richtig belüftbar, Fenster und Decken voller Schimmel, ähnlich wie in vielen anderen Schulen. Die Betonklötze aus den 80igern haben irgendwann Isolierfenster bekommen. Die Wände sind feucht und es gibt keine richtige Zirkulation von frischer Luft…  

Auch an dieser Schule werden Materialien und Werkzeuge für die Handwerkunterricht gesucht, Musikinstrumente, moderne IT – Ausstattung für den Unterricht, Laborausstattung, die Experimente ermöglichen.  Gerne würde die Schule auch an einem Schüleraustauschprogramm teilnehmen.

Wahrscheinlich brauchen auch die Lehrer Unterstützung beim Kennenlernen moderner pädagogischer Methoden.  Nach einem Mittagessen mit dem Kollegium nehmen wir Abschied.

Rückfahrt über Baltic mit Stopp in Grigorauca

Besuch der Schule: Gimnaziul „Mihai Voluntir“, die bisher noch keine Hum.-Hilfe erhalten hat.

Es handelt sich um eine gemischte Schule, d.h. überwiegend moldauisch sprechend, aber auch mit einigen „russischen“ Klassen.  Die Schule ist nach einem berühmten moldauischen Schauspieler benannt. Die ca. 200 SchülerInnen kommen aus den umliegenden Dörfern.

Die Schule ist etwas besser ausgestattet als die übrigen bisher besuchten Schulen. Dennoch ist vieles alt. Gebraucht werden: neue Schulmöbel, Ausstattung für die Naturwissenschaften etc. Auch hier werden Musikinstrumente erbeten. Die Schul-Mensa wurde mit Hilfe eines Adveniat-Projektes saniert. Erneuerung der Spielgeräte im Außenbereich werden erbeten. 

Wie in allen übrigen Schulen werden auch hier Kinder mit Handicap in den Klassen mit den gesunden Kindern unterrichtet (Inklusion). Für den Förderunterricht ist hier wie in allen anderen Schulen ein kleiner Raum eingerichtet worden. 

Es fehlt aber auch hier an didaktischem Material und didaktischem Know-how, um den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen von ganz unterschiedlich behinderten Kindern (von körperlichen Beeinträchtigungen bis Autismus) gerecht werden zu können. 

6.01.23

Nach einem von Fam. Dragan mitgebrachten Frühstück im Hotel, geht es nach Süden.

Anna Dragan will uns eine moldauische Schule (moldauische als Hauptsprache) zeigen, die noch keine Hilfslieferungen von uns erhalten hat, um uns den Gegensatz von moldauischen Schulen und Schulen der übrigen Minderheiten zu zeigen.  Ziel: Schule in Razine, ca. 40 km südlich von Chisisnau.

Diese moldauische Schule ist ca. 40 Jahre alt. Die Gebäude sind in einem gut renovierten Zustand. 

Die Lehrkräfte wirken sehr engagiert, um durch unterschiedlichste Sponsoringmaßnahmen Möbel und andere Ausstattung für die Schüler zu erhalten. Wunsch: eine Drechselbank fürs Handwerken mit Jungs, Handwerksgeräte für Jungs, Nähmaschinen für die Mädchen (mind. 12 Stück, Singer?) 

Außerdem werden Musikinstrumente, Keyboard… gewünscht. 

Die Schule zeigt einen deutlichen Unterschied zu anderen, russischsprachigen Schulen in der Peripherie des Landes. Die Räume sind viel besser ausgestattet. Besteht ein besserer Zugang zu finanziellen Hilfen? Manche Schulen in Deutschland sind in einem ähnlichen oder gar schlechteren Zustand, ausgenommen die Toiletten.  Hilfe scheint weniger dringlich!

Besuch einer rumänischen Schule, Gymnasium in der Hauptstadt

Zurück in der Hauptstadt besuchen wir ein Gymnasium (rumänische Schule). Eine Informatikerin zeigte uns die Informatikräume. Das Schulgebäude macht einen renovierten Eindruck, gute Ausstattung mit Computern. 

Liste mit Wünschen wird an Anna Dragan übergeben, u.a.: Headsets für die PC, Mini Roboter, um Programmierungen zu üben und Musikinstrumente.

Hier sehen wir keinen Hilfebedarf. 

Abends besuchen wir eine orthodoxe Kapelle gegenüber dem Hotel, wo die Vorbereitung auf die Weihnachtsliturgie beginnt. 

07.01.2023 – Abreisetag

Nach einem kurzen Imbiss im Hotel, den wieder Dragans vorbereitet haben, besuchen wir die orthodoxe Kathedrale in der Hauptstadt und erleben ca. 1 Stunde die Feier der Weihnachtsliturgie mit.  

Danach erfolgt ein Rundgang durch die Altstadt mit Besichtigung der Kath. Kirche, danach Abstecher ins Gemeindezentrum der Luth. Kirche im Keller eines Wohnblocks. Die Räume haben Ehepaar Dragan gekauft und hergerichtet, um Gottesdienste und Gemeindeleben zu gestalten. Hier ist auch der Treffpunkt des Deutschen Kulturvereins, den Dragans gegründet haben.  Dann geht es zum Flughafen, Auto-Rückgabe und Heimreise, die problemlos funktionierte.

Fazit:

Ein Land zwischen den Stühlen

Die Gespräche mit den Menschen, die wir führen konnten, vermitteln uns den Eindruck eines Landes, das sich zwischen allen Stühlen befindet. 

Geographisch und politisch ist die Republik Moldau zwischen der Ukraine, Rumänien und Russland eingeklemmt.  Strom kommt vor allem aus einem Kraftwerk in Transnistrien (russische Abhängigkeit).  Die Republik Moldau, das ärmste europäische Land, hat viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Die allermeisten von ihnen reisen weiter in den Westen bzw. das europäische Ausland. Hier hat Fr. Dragan große Hilfe mit unseren Hilfsgütern geleistet.

Die Bewohner haben Angst vor einem Ausdehnen des Krieges in der Ukraine auf die Republik Moldau. Lauter Protest gegen Russland ist nicht erwünscht, weil man Putins Reaktionen fürchtet. Außerdem sind weite Teile der Bevölkerung traditionell Russland freundlich. Viele haben familiäre Wurzeln in Russland oder arbeiten dort. Auch diese Einheimischen will man nicht verlieren. 

Andererseits will man die Anbindung an die Europäische Union. Nicht zuletzt will man die wirtschaftliche Hilfe aus Europa nicht verlieren.  Die Bevölkerung ist gespalten.

Identität?

Bei den Besuchen von Schulen und öffentlichen Gebäuden ist mir aufgefallen, wie das Land um eine eigene Identität ringt. Überall (in Schulen, öffentlichen Gebäuden, orthodoxe Kirchen) hängen Bilder von dem Fürsten Stefan cel Mare. Auf diesen rumänischen Fürsten aus dem 15 Jh. beruft sich das Land als Gründer der Moldauischen Reichs. In wieweit sich wirklich Gagausen, Russen, Ukrainer und andere Minderheiten damit identifizieren können, frage ich mich. Aber diese rum. Tradition wird staatlicherseits gefördert. Minderheiten fühlen sich an den Rand gedrängt.

Hilfstransporte

Weitere Hilfe ist nötig für Geflüchtete aus der Ukraine und für Moldauer. Letztere müssen hohe Kosten für Lebensmittel und Energie aufbringen. Die Lebenshaltungskosten in Moldawien und Deutschland sind in etwa identisch. Die monatlichen Einkommen nicht (eine Lehrkraft verdient ca. 300 €; ein Rentner ca. 50 €)

Hilfsbedarf Schulen:

Alle besuchten Schulen baten um weitere Unterstützung für:

Musikinstrumente

Werkzeuge für Werk- und Handarbeitsunterricht

Schulmöbel

Interaktive Tafeln

Computer

Labor- und Experimentierausstattung für die Naturwissenschaften

Materialien für den Unterricht mit behinderten Kindern. 

Kerkwitz, 28.01.2023                            Pfr. Markus Müller